Gesundheit Leben

WAS, WENN ICH NICHT AUFGEBE?

Es ist einige Zeit vergangen seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe. Das liegt vor allem daran, dass es nur zwei Dinge gab, über die wirklich schreiben hätte können: Mein gebrochenes Herz und die Depression, die mich nicht loslässt. Beides keine einfache Kost. Mittlerweile bin ich aber an dem Punkt, an dem die Stille mehr weh tut als alles andere.

Früher habe ich meistens immer mit einem gewissen Abstand über Dinge geschrieben oder ich habe sie in Geschichten gepackt. Egal ob es um unerwiderte Liebe, verlorene Freunde oder den Kampf mit diesem Arschloch Depression geht: Irgendwie hatte ich immer eine Story daraus gesponnen und es nicht zu nah an mich herangelassen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum mir nur sehr wenige meiner alten Texte überhaupt noch gefallen.

Das Arschloch Depression

Über mich selbst zu schreiben fällt mir generell nicht so leicht. Noch schwieriger wird es, wenn man über etwas schreibt, dass sich nicht wirklich beschreiben lässt. Für mich war eine Depression immer Schmerz – das Gefühl, dass man hat, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Diese Mischung aus Ohnmacht, Trauer, hilfloser Wut und Verzweiflung, die zu einem bleischweren Schmerz wird. Ein Schmerz, der lähmt und beängstigend ist und mit jedem Tag ein bisschen mehr wächst. Das ist die beste Beschreibung, die ich dafür habe.

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich nur zwei Dinge gefühlt: Diesen bleischweren Schmerz und blinde Angst. Angst davor, dass dieses Gefühl nie mehr weggeht und alle damit einhergehenden Horrorszenarien. Irgendwann nahmen der Schmerz und die Angst so Überhand, dass ich nicht mehr funktionieren konnte. Ich konnte nicht mehr so tun, als ginge es mir gut. Also holte ich mir Hilfe. Ich ging in eine Klinik und lernte, über meinen Schmerz und meine Ängste zu reden. Und ich stellte fest, dass es leichter ist, mit anderen Depressions-Patienten zu reden. Die verstehen nämlich, was man durchmacht.

Gib mir mein Herz zurück

Mitten in dieser schwierigen Zeit, passierte dann auch noch etwas völlig Unerwartetes: Ich verliebte mich. Das hier ist allerdings keine Liebesgeschichte. Denn was einem kurzen Höhenflug folgte, war ein tiefer Absturz. Leider war der junge Mann nicht nur nicht der Traumprinz für den ich ihn anfangs hielt, er verließ mich auch auf eine sehr schmerzhafte Weise und bestätigte damit meine größten Ängste: Erstens, dass er mich verlassen würde (check) und zweitens, dass ich schlicht nicht liebenswert war. Nicht gut genug. Nicht…genug.

Es klingt jetzt vielleicht danach, aber dies ist auch keine Geschichte über ein gebrochenes Herz. Das gebrochene Herz war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zu meinen bestehenden Ängsten kam nun also auch die Angst, dass ich vielleicht wirklich niemals jemand finden würde, der mich lieben kann. Wenn ich selbst mich schon nicht mal mochte, wie sollte da irgendjemand anderes es tun? Ich war in meinem Leben noch nie suizidgefährdet – aber ich war auch noch nie so nahe dran, gefährdet zu sein, wie damals. Bis ich irgendwann an den Punkt kam an dem mir bewusst wurde, dass ich nicht aufgeben wollte. Noch nicht. Ich wollte sehen, was passiert, wenn ich nicht aufgebe.

Keine Angst davor, Angst zu haben

Wir leben in einer Welt, die oft grausam ist. Eine Welt, in der wir uns viel häufiger gegenseitig zu Boden stoßen, als einander hoch zu helfen. Wir haben gelernt, dass wir keine Schwäche zeigen dürfen. Obwohl die Zahl der psychischen Krankheiten seit Jahren ansteigt, reden wir immer noch davon, dass jemand „nur Aufmerksamkeit will“, „sich gerne als Opfer inszeniert“ und überhaupt „andere Leute haben auch Probleme.“ Man darf sich immer noch Blödsinn wie „denk doch einfach mal positiv“ anhören und Mitglieder meiner eigenen Familie haben mir gesagt, ich wäre „einfach nur verzogen“ und solle mich nicht so anstellen.

Während meiner Zeit im Krankenhaus habe ich einige Menschen getroffen, die mit den unterschiedlichsten psychischen Krankheiten kämpften – Depression, Anorexie, bipolare Störung, Boderline-Persönlichkeitsstörung, Zwangsstörung oder auch Angststörung. Eine Sache, aber hatten sie alle gemeinsam: Keiner von ihnen war schwach. Im Gegenteil. Manchmal erfordert es sogar noch mehr Mut, schwach zu sein als stark. Sich Hilfe zu holen. Aufzuhören so zu tun als wäre alles in Ordnung. Es braucht sogar noch viel mehr Mut und Stärke, sich gegen das Aufgeben zu entscheiden. Wieder aufzustehen, auch wenn man zum 100sten Mal hingefallen ist (und weiß, dass man wahrscheinlich noch 100 weitere Male fallen wird).

Ein Teil von mir begann zu heilen, als ich mich entschloss nicht aufzugeben. Und darauf bin ich sogar ein bisschen stolz. Deshalb wollte ich diesen Text dann doch schreiben. Weil ihn vielleicht jemand liest, der genau das hören muss: Ich möchte sehen was passiert, wenn ich nicht aufgebe.

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