Jeder Mensch hat ein Muster – wirklich jeder. Irgendwann gehört es einfach zu uns – egal ob gelernt oder kopiert – und wir wenden es immer wieder an. Oder entscheiden uns dagegen. Jede zwischenmenschliche Beziehung die wir haben – Familie, Kollegen, Bekanntschaft, Freundschaft, Liebe – wird bestimmt von unserem Muster.
„Warum passiert so etwas IMMER mir?“ Teresa lässt sich mit einem tiefen Seufzer auf die Couch fallen, während ich schweigend die leeren Schachteln vom Tisch räume. Teresa hat gerade auf circa zehn Stäbchen gepinkelt, die alle eindeutig sagten: Schwanger. Das Problem dabei ist nur, dass der Vater des Kindes nicht Teresas Freund ist, sondern ein zehn Jahre jüngerer, betrunkener One-Night-Stand. Teresa geht nämlich seit Jahren systematisch allem aus dem Weg, das auch nur entfernt nach Beziehung aussieht.
Ich will nur Spaß, dass hab ich gelernt
Das Muster meiner Freundin besteht darin, niemanden an sich heranzulassen. Jeder den man gerne hat, besitzt auch das Potential, einen zu verletzen. Als Teresa elf Jahre alt war, starb ihre Mutter. Mit 18 Jahren ging ihre beste Freundin ins Ausland und ließ sie zurück. Mit 25 trennte sich ihre große Liebe Andreas von ihr – nach sechs Jahren Beziehung – weil er eine Andere kennenlernte. Teresa hat daraus gelernt und will seitdem nur noch „Spaß“.
Die beste Freundin kam übrigens zurück. Ging wieder fort. Und kehrte wieder zurück. Teresa hat sich mittlerweile daran gewöhnt. Die Freundschaft zerbrach auch schon ein paar Mal, kittete sich und ist nun nur noch ein loses Gebilde, das irgendwie doch bestehen bleibt. Das liegt einerseits an Teresas Muster, sich auf nichts und niemanden mehr festzulegen – andererseits daran, dass ihre beste Freundin dazu tendiert, sich von der Welt abzukapseln.
Ich laufe davon, das kann ich am besten
Ein Muster hat irgendwie etwas Tröstliches – man kann sich immer darauf heraus reden. „Ich sollte mehr sein wie du“, meint Teresa seufzend. „Allein?“ frage ich. „Nein, vernünftig. Du brauchst niemanden um dich und dir ist egal was andere denken.“ Tja, dafür passiert in meinem Leben auch nicht sehr viel. Gut, eine ungewollte Schwangerschaft muss nun zwar nicht sein – aber IRGENDETWAS wäre schon mal nicht schlecht. Dafür müsste ich auch nur ein klein wenig weniger ich selbst sein. Genau da liegt aber das Problem.
Jeder Mensch hat ein Muster. Meines ist, dass ich immer davon laufe. Egal ob dramatisch in fremde Länder oder Städte oder eher psychisch hinter eine Persönlichkeitsmaske – solange es die Menschen nur auf Distanz hält. Ich habe mich vor langer Zeit hinter so vielen verschiedenen Mauern verschanzt, dass es gleich ein ganzes Regiment an Prinzen bräuchte, um da durch zu kommen. Und bis dahin, hätte ich bereits wieder neue Mauern hochgezogen.
Es ist nie zu spät, neu anzufangen
„Teresa, was willst du denn jetzt machen?“ frage ich bedrückt. Sie zuckt mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung – ich meine, behalten geht ja wohl nicht!“ Es klingt mehr wie eine Frage, als eine Feststellung. „Warum nicht? Du hast einen fixen und guten Job, eine riesige Familie und du wolltest immer schon Kinder.“ Sie rollt mit den Augen. „Ja – aber doch nicht SO!“ Und genau da liegt der Hase begraben: Teresa will nämlich eigentlich genau das, was ihre Eltern hatten und ihre zwei älteren Geschwister bereits haben – eine Familie. Eine feste Beziehung. Etwas Dauerhaftes.
Jeder Mensch hat ein Muster und vielleicht ist das nicht immer etwas Schlechtes. Vielleicht brauchen wir diese Muster, um daran zu wachsen und sie schließlich durchbrechen. Möglicherweise geht es genau darum: Ein Muster zu erkennen und es zu zerbrechen. Selbst wenn es manchmal eines drastischen „Stupsers“ von Außen bedarf, damit wir das erkennen.