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Märchen

Jede Geschichte beginnt mit diesem einen Moment, der Sekunde in der man begreift, dass sich das Leben gerade für immer verändert hat. Das nichts mehr so sein wird wie bisher. Alles was nach diesem Augenblick passiert, gehört jetzt unweigerlich zu einem anderen Leben und nicht selten stellen wir uns im Nachhinein die Frage: „Was wäre gewesen wenn?“

Diese Geschichte bildet da keine Ausnahme. Sie fängt genau mit einem solchen Moment an. Mit einem schiefen Lächeln, blitzenden Augen und zwei Menschen, die beide in dieser Sekunde die Unschuld der Kindheit für immer hinter sich lassen. Manch einer sucht ein Leben lang nach diesem einen magischen Augenblick, doch für diese zwei kam er viel zu früh und so folgte, was in einer Welt voller Realisten und Pragmatiker nur logisch schien: Verdrängung, Verleugnung und schließlich Selbstbetrug.

Und so verging die Zeit. Die Wunden heilten und neue Ufer warteten darauf bereist zu werden. Doch einen Traum mag man verdrängen, zeitweise verlieren – ja sogar zerbrochen glauben, doch vergessen kann man ihn nie. Viele Menschen irren durchs Leben, scheinbar ohne Sinn und ohne Zweck, während andere immer wieder am selben Punkt enden. Und diese beiden, sie enden immer wieder bei einem schiefen Lächeln und dem Traum, mit dem einst alles begann. Ein Traum, der zwei Kinderherzen verband, ohne dass sie ihn wirklich verstehen konnten.

Ein seltsamer Traum von einem älteren Ehepaar, das zusammen an einem Strand sitzt und aufs Meer hinaus blickt. Zwei Hände ineinander verschlungen und schließlich, zwei blitzende Augen und ein schiefes Lächeln, die in dieser Sekunde für immer zwei Herzen stahlen. Und weil es so unglaublich schien, so surreal, begruben beide den Traum irgendwo in der dunkelsten Ecke ihrer Seelen. Verbarrikadierten die Tür mit so vielen Brettern wie sie nur finden konnten. Es dauerte Jahre bis sie sich selbst überzeugt hatten, dass diese Tür endgültig geschlossen war und nie mehr aufgehen würde.

Wegzurennen hat geholfen. Wegzuschauen und sich selbst belügen machte die Leere ein wenig leichter. Doch dieses unbekannte Sehnen, die nagenden Fragen in der Nacht und der Wunsch, den man fast auf der Zunge schmecken konnte – sie blieben. Sie wurden Teil des Schmerzes, der sie fort an beide begleitete. Schritt für Schritt gingen sie den Weg vom Kind zum Erwachsenen. Der Traum derweil schlief und wartete.

Es gibt nichts Härteres, als einen Weg zu suchen, wenn man nicht weiß wonach man eigentlich sucht. Nicht Schweres, als sich wieder aufzurappeln, wenn erneut eine Welt einstürzt oder an der Realität scheitert. Doch man zwingt sich, wieder aufzustehen. Weiter zu gehen und redet sich dabei ein, dass das alles doch irgendeinen Sinn hat. Und manchmal, in mitten der Trümmer, findet man ein Gespenst aus einem früheren Leben. Viele Leute sehen es nicht oder wollen es nicht sehen, doch manchmal, ganz selten, da lässt es sich nicht mehr verbannen.

Es schreit eine Erinnerung heraus und öffnet Türen, von denen wir glaubten sie völlig vergessen zu haben. Und mit dieser Erinnerung beginnt sich ein Gedanke zu formen, der sich zur Idee wandelt und wie eine Feuersbrunst alles fortfegt, woran wir bisher glaubten. In dieser Geschichte mischte sich genau an dem Punkt der Zufall ein.

Ein kleiner Schubs, eine Drehung und da standen sie und starrten einander völlig entsetzt an. Dieses Mal sind sie nicht zu jung oder zu unreif um diesen Moment zu verstehen. Zwei schiefe Lächeln, zwei weit aufgerissene Augen und der krampfhafte Versuch, ein Gefühl zu kontrollieren, dass sich nicht mehr bändigen lassen will.

Zwei Seelen die all die Jahre verzweifelt gewartet haben um nun endlich wieder zueinander zu finden.
Zum Teufel mit der Logik und zum Henker mit der Angst – wer kann schon sagen, ob es ihn nicht doch gibt. Diesen einen Menschen der sein ganzes Leben damit verbringt zu suchen. Der zweifelt, der sich selbst belügt und schließlich an uns vorüber geht, weil er in derselben Illusion gefangen ist wie wir. Manchmal aber, da gibt es diesen Schupser. Und so endet diese Geschichte mit dem Beginn einer Neuen.
Vielleicht lohnt es sich manchmal ja doch zu träumen.

There are only four questions of value in life:
What is sacred?
Of what is the spirit made of?
What is worth living for?
What is worth dying for?
The answer to each is the same:  Only love.

(Don Juan DeMarco, 1996)

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